Mord im Schweinezimmer

Er nervte sie schon lange mit seiner immer dünner werdenden Haut und den offenen Stellen. Über drei Jahrzehnte hatten sie miteinander verbracht, in denen sie sich immer mehr von ihm entfernte. Sie wollte und musste ihn los werden, er war alt und hässlich geworden.

 

An diesem Montag erwachte sie früh. Es war trübe und regnerisch. Genau der richtige Tag, um sich des Alten, der mittlerweile sein Dasein im Schweinezimmer fristete zu entledigen. Sie betrat das Zimmer der Schweine, beachtete ihn mit keinem Blick und fütterte die Kleinen. Danach nahm sie sich Paula, um Gewicht und Kot zu kontrollieren. Nachdem sie alles erledigt hatte, wandte sie sich um, schaute ihn sich genau an. Etwas wehmütig dachte sie an ihre gemeinsamen Jahre zurück. Nur nicht zaudern dachte sie, er muss weg, er ist mir im Weg.

 

Natürlich hatte der Alte im Schweinezimmer längst ihre Stimmung durchschaut. Er merkte sofort, dass etwas anders war. Sie setzte sich auch nicht auf seinen Schoß, wie sie es sonst morgens immer tat. Er war traurig und ließ die Jahre, in denen sie sich kannten Revue passieren. Das waren noch Zeiten, dachte er bei sich und an die vielen schönen Feten, die sie gemeinsam in ihrer kleinen Wohnung feierten. Später sind sie dann zusammen in eine Altbauwohnung gezogen, er immer dabei. Ihr Liebling, das wusste er wohl. Selbst als die kleinen Schweinchen so nach und nach bei Ihnen einzogen, hielt er seine Stellung als number one in ihrem Herzen. Wie oft hatte sie sich auf seinem Schoß ausgeheult, wenn mal wieder eines der Meerschweinchen krank war und dann starb. Wie traurig und verzweifelt sie dann war. Er beklagte sich nie, sondern umfing sie immer schützend und tröstend. Und jetzt ….. ?.

 

Die Tür zu Wohnung öffnete sich, sie kam aus dem Keller bewaffnet mit Säge und Bohrer. Wie er sie so sah, beschlichen ihn Panik und Angst. Er konnte ihr nichts mehr entgegensetzen, war ihr hilflos ausgesetzt.

 

Zügig bereitete sie alles vor, um sich des Alten zu entledigen. Sie hatte sich überlegt, ihm zunächst ein Bein abzusägen. Er würde dann in Ohnmacht fallen und nichts weiter mitbekommen. An die Sauerei, die so eine Tat mit sich brachte wollte und konnte sie im Moment nicht denken. Sie setzte die Säge an das linke Bein, er schrie kurz auf und fiel um. Jetzt vergewisserte sie sich, ob er auch wirklich ohnmächtig geworden war. Schnell und sicher arbeitete sie weiter. Sie sezierte ihn. Zog ihm sozusagen das Fell über die Arme, schnitt den Speck raus und warf die Teile in große unauffällige Tüten eines Hamburger Kaufhauses. Darauf bedacht keine Nachbarn anzutreffen, öffnete sie vorsichtig die Wohnungstür und brachte die großen schweren Tüten zum Müllcontainer. Auf dem Rückweg durch das Treppenhaus vergewisserte sie sich, keine Spuren hinterlassen zu haben. Jetzt mussten noch die Gebeine zerkleinert werden. Sie wollte nicht auffallen und unnötigen Krach während der Mittagszeit machen. Pünktlich um 15 Uhr griff sie zur Säge, um die bleichen Gebeine des Alten in handliche Stücke zu zerlegen und in Plastiktüten in den Container zu schaffen. Schnell und unauffällig musste dann das Zimmer der Meerschweinchen wieder hergerichtet werden. Ob es wohl jemandem auffällt, dass er nicht mehr da ist? Wird er jemandem fehlen und wer wird sie künftig trösten, wenn eines der Schweinchen krank wird und den Weg über die Regenbogenbrücke geht?  Ihre Tat war nun nicht mehr rückgängig zu machen, der Alte war weg und einen Neuen gab es noch nicht. By by, mein alter, heiß und innig geliebter Sessel.

 

Sechs Augenpaare, wovon ein Paar nicht wirklich sehen konnte, verfolgten ihre gemeine und hinterhältige Tat. Die Schweine fragten sich,  ob sie so einem Menschen überhaupt weiter vertrauen konnten oder sich besser ein neues Zuhause suchen sollten. Gemeinsam beschlossen sie zu bleiben, jemand der ihnen soviel Mais und Wiese serviert, kann nicht von Grund auf schlecht sein. Höchstens doof, wie 2-Beiner nun mal so sind.